Sonntag, 23. September 2007

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„Chrab, Chrab, Chrab!“
damit wurden wir nachts geweckt. Wohl ahnend, was das war, suchten wir die Ameise mit der geschulterten Laubsäge im Gepäck. Wir wurden nicht fündig. Am nächsten Morgen zeigten uns Holzspäne, dass dies kein Albtraum war. Die Termite hatte unser Bett zur Hälfte aufgegessen.
Zweiter Weckversuch. „Macht Fotos! Macht Fotos!“ schrie der rauchende und koffeinhaltige Fleischberg. Die Überchristen von nebenan haben als Gegenmaßnahme zur Deutschen Gründlichkeit das Hinweisschild unserer Lodge samt Fundament ausgebuddelt. Ketzerische Hetzreden krächzten aus Volksempfängern und untermalten die negativen Intentionen. Zusammen mit dichten Nebelschwaden aus brennenden Müllhaufen verwuchsen diese Sirenenklänge zu einer Endzeitstimmung. Die Müllverbrennung findet durchgehend Mittwoch bis Dienstag statt. Um der Müllberge Herr zu werden, sammeln speziell ausgebildete Menschen und tumorartige Ziegen alles verwert- und nicht verwertbare. Mit ausgelassener Heiterkeit freuen wir uns auf die Abreise.

Von Müllparfüm umrauscht stieren wir auf den ZDF-Fernsehgarten und verfolgen wie Prof. Dr. Klaus-Jürgen Wussow alias Harn Brinkmann sowohl die Krankenschwestern als auch die Neurochirurgie beharschte.
Eintrag ins Klassenbuch: Andi, Helmut und Sven müssen nachsitzen, da sie zu laut Schwarzwaldklinik geschaut haben. Helmut ist ein sehr wohlhabender, pensionierter Bauunternehmer aus Deutschland, der seine Familie für eine Kenianerin verlassen hat. Seine Ehefrau beging daraufhin Selbstmord, seine Tochter möchte nichts mehr von ihm wissen. Nach kurzer Zeit hat ihn seine kenianische Freundin betrogen und mit HIV infiziert. Wohl nicht nur aus innerer Zerissenheit sondern auch wegen möglichem Befalls des Zentralen Nerven Systems nimmt er keine Therapie in Anspruch und begegnet seinen Mitmenschen in einer zornigen Art und Weise.
Gespräch am Nachbartisch: „Was machst Du heute Mittag?“ „Lilian kommt zu Besuch.“ „Ah – Hausaufgaben machen?“ „Ja, schriftlich und mündlich!“ „Aber besonders gerne mündlich – oder?“ Großes Schenkelklopfen gefolgt von männlichem Gelächter.
Danach lassen diese zerlumpten Gestalten die Flasche kreisen.
Unglaubliche Szenen am Abend: Während des Stromausfalls praktizieren zwei fleischige Kunden den Beischlaf im ZDF-Gemeinschaftsraum. Der Fernseher schweigt, wir müssen es ertragen. Der nächtlichen Unruhe nicht genug, zapfen weibliche Moskitos unsere Adern an vorzugsweise Knöchel und Handgelenke. Unsere Kleidung passt nicht mehr, weil Körper und Geist von Mückenstichen aufgedunsen sind. Wie im Blutrausch jagen wir im Morgenrot die vollgesogenen Leiber und bringen sie zwischen unseren klatschenden Händen zur Explosion.

Outpatient: Samburo Krieger mit Schmerzen im Oberbauch. Verdacht auf Peptic Ulzer. Tripple-Therapie: Amoxicillin, Metronidazol und Omeprazol.
Die Samburo-Krieger sind irgendwo zwischen gestern und heute auf der Strecke geblieben. Ohne Visionen und Zukunftspläne betrinken sich unsere Freunde tagsüber, um abends in endlosen Hotelketten ihre Kriegstänze aufzuführen und im Anschluß an die Darbietung begeisterten Mittfünfzigerinnen ihre Ketten, Zeichnungen und Speere anzubieten.

Ebenso sinnlos erschien uns das alltägliche Relaxen und Chillen unserer Goldketten behangenen Gangster-Rapper aus Mombasa-Town. Gefangen zwischen East-Coast und West-Coast, Playstation und Playgirls leben sie in den Tag hinein. Alltäglicher Höhepunkt ist das abendliche Aufstylen mit anschließendem Posen in der Disco. Als wir mit ihnen abends was trinken waren, trafen wir eine 60 jährige Amerikanerin, die uns in betrunkenem Zustand ihren Lebensplan offenbarte: Zum Schutze der Big 6 (Giraffe, Tiger, 3 Ziegen plus Gorilla) wollte sie eine Privatarmee aufstellen. Rapper Chris – der nach eigenen Angaben ein Jahr Psychologie studiert hatte – besaß nun angeblich die Fähigkeit durch alleiniges Dreinblicken ihr Wesen zu verstehen und zu beeinflussen. Auf das versprochene Bier, welches sie uns durch seine Gedankenkraft ausgeben sollte, warten wir immer noch. Sobald herauskam, dass sie kein Geld besaß, war das Interesse an ihr verloren. Chris: „Immer und immer wieder hat sie mich angerufen. Fahr zur Hölle hab ich ihr gesagt.“

Genervt von dem ganzen feinen Getue hier wollten wir an den Strand flüchten. Samburo-Krieger rieten uns wegen Tsunamigefahr nach einem indonesischen Erdbeben davon ab. Also stiegen wir in ein Matatu, um unseren Freund Bob in Watamu zu besuchen. Zusätzlich zu den 20 Passagieren fand dieses mal eine ganze Schulklasse im Matatu Platz. Teilweise überfahren wurden nur ein Motorradfahrer, zwei Ziegen und unsere Erwartungen.
Kurzer Zwischenstop im Moloch Malindi. Mit Ahmeds Schergen am Bart wollen wir Geld bei umhelmten Polizisten abh(g)eben. Wenige Meter und einige Minuten zuvor versuchen 7 falsche Polizisten mit einer falschen Polizeisperre Schmiergeld von Matatufahrern zu erpressen. Sie ahnten jedoch nicht, dass sich unter den Opfern ein Zivilpolizist befindet. Die herbeigerufene Verstärkung erschoss kurzerhand zwei der Kriminellen. Echo aus der Bevölkerung: „Gut, dass die Verbrecher tot sind. Jetzt können sie es nicht mehr tun.“
Statt Karanga mit Haferbrei gab es diesesmal Pfeffersteak mit Pommes. Uns ist allen mal wieder für drei Euro schlecht geworden, der Urlaub wurde ausgekostet bis zur letzten Sekunde. Krieger aus dem Stamm der Pokot scheinen mit uns verwandt zu sein, sie ernähren sich ausschließlich von Fleisch.
In Watamu trafen wir alte Bekannte sowie Dr. Brain, der uns am Strand Gras verkaufen wollte. Für das Geld kauften wir lieber eine Eintrittskarte in den Marinepark. Beim Gogeln fanden wir keine Scherben, nur bunte Fische und tote Korallen zogen an uns vorüber. In noch aufgeweichtem Zustand trafen wir in der Hofauffahrt auf von Bobs Nachbarn bewachtes menschliches Pfand. Dieses sollte erst nach entsprechender Lösegeldzahlung (Mietschulden für Auto und Wohnung) des Bruders der Geisel freigelassen werden. Alternativ wurde der Schwester des Bruders eine Frist zur Zahlung des ausstehenden Betrages bis zum Morgengrauen gewährt. Sollte sie dem nicht nachkommen, würde das Gefängnis in Kilifi sie als Pfand entgegennehmen.
Apropos Knast: aus erzieherischen Gründen befindet sich dieser direkt gegenüber der Schule. Apropos Erziehung: Tagsüber mussten wir bei Bob ohne Essen und Trinken klarkommen – ER befeuerte den Ramadan. Dafür aßen wir umso opulenter nach Sonnenuntergang z.B. bei Bobs Familie. Sein Onkel gab zum Nachtisch Seemannsgarn: Bis heute (68 Jahre alt) wandert er barfuß mit Touristen bis ins zweite Basiscamp des Mt. Kenia. Aus Langeweile verdiente er ein Zubrot als Segel-, Surf- und Tauchlehrer. Das Geld war auch nötig für seine 5 Frauen, 23 Kinder und ständig steigende Preise für Gebetskappen.
Wie viel Nebenjobs der Mann aus dem Nachbardorf mit 355 Frauen haben muß, können wir uns nicht ausmalen.

Arabuko-Suboke/Mida-Creek: statt 80 Miniatur-Buschelefanten, Goldrücken-Rüsselhündchen und Regenwald, fanden wir Laubmotten, Grashüpfer und deutschen Blätterwald. Auch der NABU (Naturschutzbund) hat hier seine Finger…also die schwarze Katzen im Kasten. Solche Touristenfallen sind für uns gefundenes Fressen für die Zeitmaschine bis zum Rückflug.
Im Matatu mussten wir wieder hinten sitzen. Im Falle eines Unfalls gäbe es kein Entkommen: Mzunguplätze. Es war dunkel und trotzdem wussten wir, dass wir bald zuhause sein werden: Der Mundgeruch Mtwapas waberte uns schon von weitem entgegen.
Der Gewinner des Tages war ein Rentner, der nach 78 Dienstjahren seinen Höhepunkt mit 5 Frauen gleichzeitig erreichte.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben…

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